- Vor ein paar Jahren fassten einige der führenden Belgrader Intellektuellen die Befindlichkeit der Post-Milošević-Gesellschaft in Belgrad in einem Buch mit dem Titel „Die serbische Seite des Krieges – Traum und Katharsis im kollektiven Bewusstsein“ zusammen. Ihr Argument war, dass sich die Gesellschaft in einem Zustand der Aufarbeitung, soll heißen, in einer Reihe von traumatischen Erfahrungen befinde und deren Aufarbeitung die intellektuelle und künstlerische Produktion bestimme. Ihre Ausstellung will ein historisch analytisches Panorama dieser Situation und ein Bild der gegenwärtigen Szene entwerfen.
War auch die Kunstszene von traumatischen Erfahrungen belastet?
- Ja, wie die ganze Gesellschaft durchlebte auch die Belgrader Kunstszene in den letzten beiden Jahrzehnten eine Reihe von Traumata. Der Umgang mit dieser Serie von traumatischen Erfahrungen hat lange verhindert, dass sich in Belgrad so etwas wie ein neurosefreies Kunstleben entwickeln konnte.
Den ersten großen Einschnitt stellte der Kollaps des Staatssozialismus dar. Wir hatten in Jugoslawien immer gedacht: Wenn jemand die Transformation aus einem sozialistischen in ein marktwirtschaftliches System schafft, dann sind es wir. Wir hatten ja immer reisen dürfen. Information war kein Problem und die wenigen Dissidenten, die es gab, mussten nie mit ganz ernsten Repressalien rechnen.
Sicher, manche wurden aus ihren öffentlichen Funktionen vertrieben, aber auch in Deutschland gab es in den siebziger Jahren Berufsverbote aus ideologischen Gründen. Der Staatsapparat hatte eine Ideologie der Moderne und der ethnischen Gleichberechtigung. Der dritte Weg, den das Titoistische Jugoslawien zwischen den Machtblöcken zu gehen angetreten war, schien eine echte Option. Traumatisch war also die Erfahrung, dass dieses Staatswesen kollabierte, dass sich – politisch geschürt – ethnische, nationalistische Konflikte und Nationsbildungen mit kriegerischen Auseinandersetzungen abspielten.
Dann kam das zweite große Trauma: der Niedergang des relativen Wohlstands, die Verarmung der Mittelklassen und Intellektuellen innerhalb einer von Krieg und Kriegswirtschaft bestimmten Situation. Dazu kam der Kollaps des Alltagslebens und der Institutionen, die von den Milošević-Leuten radikal an sich gerissen und für viele daher unbetretbar wurden.
Daraus resultierte eine weitere, dritte traumatische Konsequenz: Den Menschen draußen immer seinen Standpunkt erklären zu müssen, sich immer in Bezug auf die lokale Lage definieren zu müssen, bevor man mit ihnen über seine Arbeit, z. B. die als Künstler, reden konnte.